Offener Brief zur Beschlussvorlage „Einstellung des Badbetriebes“

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Chemnitzer Stadtverwaltung,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter von Presse und Medien,
sehr geehrte Leserinnen und Leser,

wir bedauern sehr, uns erneut und wiederholt mit unserem Anliegen „Erfenschlager Bad in Chemnitz“ und einem letztlich leider unveränderten Status an Sie wenden zu müssen. Gleichzeitig möchten wir Sie über die Entwicklung aus Vereinssicht informieren.

Wir bitten Sie, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte zum wiederholten Male, der in der kommenden Stadtratssitzung am 27.01.2016 anstehenden Beschlussvorlage B-003/2016 nach Kenntnisnahme der beigefügten Informationen NICHT zu entsprechen. Wir bitten Sie gleichzeitig, auch Ihre Partei- und Fraktionskollegen zu ermuntern, dem Beschlussantrag nicht zu folgen und stattdessen die in der Sache notwendige Kooperations- und Dialogbereitschaft einzufordern und sich für einen Fortbestand des Erfenschlager Bades einzusetzen.

Wir bitten Sie, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung Chemnitz, den Beschlüssen des Stadtrates nachhaltig zu folgen, für die Bürgerwünsche aus Erfenschlag ausreichend Dialog- und Kompromissbereitschaft einzuräumen und ggf. schon getroffene interne Beschlüsse zu revidieren.

Wir bitten Sie, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse, auch weiterhin um eine gute und vollumfängliche Berichterstattung im Sinne Ihrer Hörer, Leser und Zuschauer und im Sinne der Bürger unserer Stadt.

Wir bitten Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt Chemnitz, sich für den Erhalt des „Erfenschlager Bades“ nach Ihren Möglichkeiten einzusetzen – erhalten Sie dieses Kleinod für eine lebenswerte und schöne Stadt Chemnitz.

Gern geben wir Ihnen auch über weitere Details Auskunft.

Zur Vorgeschichte: Das Sommerbad Erfenschlag in Chemnitz wurde bis zu dessen aktueller Schließung über viele Jahre auf der Basis eines Betreibervertrages durch einen Sportverein betrieben. Schon immer ist dort viel Bürgerengagement eingeflossen. Nach Auslaufen dieses Vertrages hatte sich der Sportverein zurückgezogen und der Bürgerverein für Chemnitz/Erfenschlag e.V. hat sich stattdessen bereiterklärt, eine Instandsetzung des Bades und dessen Weiterbetrieb zu übernehmen bzw. voranzutreiben. Dafür hat der Verein ein baugutachterliches Konzept vorgelegt und teilweise fortgeschrieben. Der Verein wird von Chemnitzer Bürgern getragen. Darüber hinaus gibt es mehrere hundert Personen, ebenso zumeist Chemnitzer Bürger, die eine Unterstützung in Form von Spenden, Arbeitseinsätzen, unentgeltlichen Leistungen usw. beisteuern möchten. Deshalb kann es eine zusätzliche Option für die Zukunft sein, einen Betreiberverein zu gründen, auf den die Aktivitäten einmal übergehen.

Seit der faktischen Schließung des Bades durch die Nichtverlängerung des Betreibervertrages arbeitet die Stadtverwaltung Chemnitz an dessen endgültiger Schließung. Schon im ersten Halbjahr 2015 wurde deshalb eine Entscheidungsvorlage zur Entwidmung des Bades zweimalig in den Chemnitzer Stadtrat eingebracht. Die Abgeordneten haben beiden Vorlagen im Sinne der Chemnitzer Bürger nicht entsprochen und das Thema an die Fachausschüsse zurückverwiesen mit der Aufforderung, dies mit den engagierten Bürgern zu erörtern und nach Lösungswegen zu suchen.

Nun steht erneut eine Entscheidung der Schließung an, wobei die Entscheidungsvorlage B-003/2016 nun auch Pläne zum Rückbau und zur Renaturierung des Geländes enthält. Einen recht eigenartiger „Geschmack“ erwächst aus der Tatsache, dass die Landesfördermittel, die dem Betreiberverein ursprünglich für die Beseitigung von Flutschäden im Rahmen eines Weiterbetriebs zugesagt worden waren, nun zum Rückbau des Bades eingesetzt werden sollen.

Wir möchten Ihnen das vergangene Jahr nun aus der Sicht von Bürgern und Verein schildern:
Unsere Erwartung und Hoffnung war es, dass Vertreter der Stadtverwaltung, d.h. Mitarbeiter der Fachämter in einen konstruktiven Fachdialog mit unserem Verein treten. Wir glaubten dort gemeinsam

die Einzelaspekte der vorliegenden Gutachten Punkt für Punkt zu erörtern, das Für und Wider unter Fachleuten abzuwägen, Prioritäten und Schwerpunkte abzuleiten, nicht tragfähige Ideen oder Ansätze zu verändern, zu verwerfen oder neu zu entwickeln.

Leider gehören zum Dialog immer zwei Seiten – ein solcher Dialog unter Fachleuten erfolgte jedenfalls leider nicht. Es gab einfach keine Einladung zu solcherlei Fachgesprächen.

Nichts desto trotz erfolgte – auf Einladung des Vereins – eine Begehung des Badgeländes mit Vertretern der Stadtratsfraktionen. Der Verein lud für den 3. Juli 2015 zu einer Bürgerversammlung, die so großes Interesse hervorrief, dass Sie die in Erfenschlag verfügbaren Kapazitäten (Turnhalle) sprengte. Dort wurden die konzeptionellen Ansätze des Vereins zum Weiterbetrieb vorgestellt. Es waren Vertreter des Stadtrates und auch der verantwortliche Sozialbürgermeister unserer Stadt anwesend. Wir möchten ein dort getroffenes Statement des Bürgermeisters hier stellvertretend widergeben, das unseres Erachtens die gesamte Handhabung des Themas durch die Stadtverwaltung widerspiegelt. Herr Rochold äußerte auf die Frage zur Mitwirkung der Stadt Chemnitz bei einer im Raum stehenden Sanierung und dem Weiterbetrieb des Bades: „Meine Kompromissbereitschaft beschränkt sich auf null Euro“.

Ebenfalls auf Initiative des Bürgervereins wurden die Ideen / das Konzept im Jahresverlauf auch nochmals in verschiedenen Fraktionen des Stadtrates vorgestellt.

In Vorbereitung der aktuell anstehenden Stadtratssitzung fand am 06.01.2016 eine nicht öffentliche Beratung des Schul- und Sportausschusses statt. Hierfür erhielten wir nach den Weihnachtsfeiertagen eine äußerst kurzfristige Einladung und die Gelegenheit ein 10-minütiges Statement abzugeben, wobei uns der Wortlaut und die Argumentation der erörterten Beschlussvorlage gar nicht übergeben wurde. Der eigentlichen Erörterung durften wir weder beiwohnen noch war eine anderweitige Mitwirkung vorgesehen. Unser zur Beratung abgegebenes Statement haben wir Ihnen anbei zur Kenntnisnahme beigefügt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte wägen Sie Ihre zu unserem Erfenschlager Bad zu treffenden Entscheidungen gut ab. Sie tragen die Verantwortung, im Sinne der Bürger von Chemnitz zu entscheiden und auch im Sinne des Lebensgefühls in den von Ihrer Entscheidung besonders betroffenen Stadtteile, u.a. Erfenschlag, Reichenhain, Altchemnitz und Harthau zu agieren. Bedenken Sie bitte auch, dass manch getroffene Entscheidung unumkehrbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Bürgerverein für Chemnitz-Erfenschlag e.V.
Wolfgang Köhler
Vereinsvorsitzender

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Anlage:
Statement des Bürgervereins für Chemnitz-Erfenschlag e.V. im Rahmen der nichtöffentlichen Beratung des Schul- und Sportausschusses Chemnitz am 06.01.2016

Statement des Bürgervereins für Chemnitz-Erfenschlag e.V.,
Sportausschuss Chemnitz, 06.01.2016

Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Gäste,

Sie sind aufgefordert heute gegen das Sommerbad Erfenschlag und für dessen dauerhafte Schließung zu votieren.
Wir glauben und wir hoffen, dass Sie dies nicht tun werden!

Dieses, unser Bad, dieses, unser Kleinod hat schon immer die Bürger mindestens in den Stadtteilen Erfenschlag, Harthau und Reichenhain bewegt. In den dreißiger Jahren wurde es von Bürgern erbaut, in den Fünfzigern wurde es von ihnen erweitert, in den Achtzigern wurde es mit Bürgerhilfe verschönert. Seit den 2000ern wurde das Bad über viele Jahre von den Bürgern sogar selbst betrieben. Es konnte dabei eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden, dass ein solches Bad über viele Jahre mit sehr überschaubaren Kosten zu betreiben ist. Viele fragen uns regelmäßig, wie es nun weitergeht.

Im Jahr 2014 lief der bisherige Nutzungsvertrag endgültig aus. Die Eigentümerin des Bades – die Stadt Chemnitz – hatte es über viele Jahre versäumt, auch nur eine müde Mark in Erhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen zu stecken. Die nun vorhandenen Mängel sind ausdrücklich nicht auf den Betrieb des Bades durch die Bürger zurückzuführen. Der resultierende Investitionsstau soll nun jedoch der Sargnagel unseres Bades werden.

Andere, die nie einen Handschlag für dieses Bad geleistet haben, die ggf. sogar nie einen Fuß dorthin gesetzt haben, bereiten jetzt die Entscheidung über die Zukunft vor. Dies sind NICHT Sie liebe Bürgervertreter. Es sind auch nicht die Bürger von Reichenhain, Erfenschlag, Harthau, Altchemnitz oder anderer Stadtteile, die dazu ja gar nicht befragt wurden. Es sind Fremde, externe Berater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte, die die Grundlagen legen für die von Ihnen abverlangte Entscheidung über wichtige Chemnitzer Belange.

Sie, liebe Stadtverordnete, sollen heute nur ein Alibi erfüllen. Sie sollen die Seelen derer reinwaschen, die das Ganze verbockt haben. Sie werden hier als Bürgervertreter genauso wie wir als Bürger vorgeführt und sollen das Kasperletheater mitspielen. Wir bitten Sie inständig – tun Sie dies nicht! Nehmen Sie Ihre Bürgerrechte tatsächlich wahr, erfüllen Sie Ihre Bürgerpflicht und kämpfen Sie mit uns gemeinsam für einen Fortbestand des Bades.

Natürlich gibt es Investitionsbedarf. Natürlich müssen heutige Standards erfüllt werden. Natürlich ist Arbeit zu erledigen. Niemand bezweifelt das. Wir glauben jedoch, dass dies mit erträglichem und vernünftigem Aufwand durch sukzessive Ertüchtigung bei notwendiger Prioritätensetzung zu erreichen ist.

Gleichzeitig glauben wir, dass das Bad – wie schon bisher – mit überschaubaren Betriebskosten in gemeinnütziger Weise zu bewirtschaften ist. Bisher wurde jedoch lediglich darüber debattiert, ob und wie dieses Bad zu schließen sei. Über Wege zum sinnvollen Weiterbetrieb, über das Wer, Wie, Was, Wann wurde bisher nie konstruktiv beraten – eigentlich wurde in den vergangenen 2 Jahren gar nicht beraten. Höchstens darüber, wie man das Ding nun endlich von der Bildfläche bekommt.

Ein kollektives Armutszeugnis!

Sie verehrte Anwesende wissen aus eigener Erfahrung – motivierte Bürger können sehr viel bewegen, können viele sehr individuelle Wege für Teilprobleme finden: durch Eigenleistung, durch Spenden, mit Sponsoren, durch Nutzung von Förderung – bspw. des Ehrenamtes. Man muss sie jedoch auch lassen. Was sicher nicht zu leisten ist, ist ein perfektes, auf viele Jahre ausgelegtes, vollständig ausgefeiltes und zeitlich strukturiertes Konzept ohne Unwägbarkeiten, dass einen ewigen Betrieb ohne jegliche kommunale Beteiligung sichert. Solche Trauben hängen tatsächlich zu hoch, dies wird aber scheinbar gefordert.

Chemnitz sollte stolz sein, Bürger zu haben, die etwas beWEGen wollen und können. Sie sollten gehegt und gefördert werden. Leider ist das Gegenteil der Fall. Von Konstruktivität, eben der gemeinsamen Suche nach geeigneten WEGen, ist bisher nichts zu spüren. Wir werden hingehalten, vertröstet, abgespeist, veralbert.
Hierzu noch einige Beispiele:
Wir wissen nicht, seit wann Sie Kenntnis von der heutigen Veranstaltung haben und seit wann Sie sich darauf vorbereiten konnten. Wir selbst wurden mit Schreiben vom 18.12. eingeladen, das erst nach den Weihnachtsfeiertagen bei uns einging. Errechnen Sie gern selbst, wie viel Flexibilität für die Vorbereitung und Teilnahme an der heutigen Veranstaltung man von uns erwartet. Die Einladung ist übrigens die erste, die wir in den letzten beiden Jahren zu einem offiziellen Gesprächstermin mit der Stadtverwaltung erhalten haben.

Sie liebe Abgeordnete, halten heute auch ein Dokument in den Händen, das die Grundlage Ihrer Entscheidung bilden soll. Wir selbst kennen dieses Dokument offiziell gar nicht – es wurde nicht für nötig erachtet, auch uns dieses Dokument zu übermitteln. Gleichwohl sind wir gebeten worden, heute ein 10minütiges Statement abzugeben. Augenscheinlich wird ein wirklich inhaltliches Statement gar nicht erwartet.

Dankenswerter Weise haben wir seit vorgestern aus Ihren Reihen Kenntnis von der genannten Entscheidungsvorlage erhalten. Sie werden aber sicher verstehen, dass uns in der Kürze der Zeit keine fundierten Aussagen oder Entgegnungen dazu möglich sind. Noch dazu ist der in unserer Bürgerinitiative mitwirkende Bausachverständige heute aufgrund der Kurzfristigkeit gar nicht anwesend. Deshalb an dieser Stelle zunächst nur drei kurze Anmerkungen:

1. Ziehen Sie die getroffenen Aussagen getrost in Zweifel. Ihnen wurde mit Ihrer Entscheidungsvorlage zwar das Erstgutachten des Dr. Melzer vom Juli 2013 übergeben, jedoch wurde versäumt, auch das Konzept des Bürgervereins bzw. des Bausachverständigen Dr. Franke beizufügen. Auf beide Dokumente wird wesentlich Bezug genommen.

2. Unter der Überschrift „Wertung der baufachlichen Stellungnahme“ wird ausgeführt, dass „viele inhaltliche und fachliche Fragen offen bleiben“. Die tatsächliche konstruktive Diskussion dieser Fragen am gemeinsamen Tisch wäre aus unserer Sicht wünschenswert – im Sinne konstruktiven Gesprächs, nicht im Sinne papierner Forderungen. Leider ist sie bisher unterblieben.

3. Mit einer großen Selbstverständlichkeit wird vom Bürgerverein immer wieder erwartet, weitere Konzepte, Planungsleistungen oder Detaillierungen (ehrenamtlich) zu erbringen ohne zunächst die vorliegenden Fragen gemeinsam zu erörtern. Auf der anderen Seite wird viel Geld für Begutachtungen ausgegeben, die die Schließung und damit Vernichtung des Erfenschlager Bades legitimieren sollen.

Für Ihre heute zu treffende Entscheidung möchten wir Ihnen deshalb folgendes ans Herz legen:

– Vertagen Sie die von Ihnen geforderte Entscheidung, mindestens bis zur nächsten Beratung Ihres Gremiums, um unserer Bürgerinitiative die Möglichkeit eines fundierten Statements zu geben.

– Räumen Sie unserem Sachverständigen dann auch ausreichend Zeit für seine Darstellung ein. Beauftragen Sie die Stadtverwaltung mittels dieses, ihres Gremiums oder durch den Stadtrat, gemeinsam mit dem Bürgerverein für Chemnitz-Erfenschlag e.V. geeignete Wege zum Weiterbetrieb des Bades – unter beidseitiger Mitwirkung – zu finden.

– Fordern Sie die Überarbeitung veralteter Planungen und die Aufnahme des Bades in neue Konzepte ein.

Eine letzte Anmerkung sei gestattet:

Im Stadtteil Erfenschlag gibt es keine kommunale Kindertagesstätte, keinen Jugendclub oder Seniorentreff. Es gibt kein Stadtteil- oder Bürgerzentrum, es gibt keinen öffentlichen Spielplatz.

Sie werden sicher verstehen, dass sich deshalb mit dem Erfenschlager Bad vieles verbindet, viel Bürgerengagement darauf fokussiert ist, viel Lebensqualität dafür spricht.

Bitte arbeiten Sie, liebe Chemnitzer Bürger, mit uns daran, dass dies so bleiben kann, damit wir diesen guten Anker nicht verlieren.

Vielen Dank!

Bürgerverein für Chemnitz-Erfenschlag e.V.

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